24.11.91

 
Bauleiter in Sachen TV-Unterhaltung: NDR-Talk-Chef Wolfgang Bremke geht zum MDR




Der Chef-Unterhalter

„Ich wollte nicht weg vom NDR“, sagt Horst-Wolfgang Bremke. Jetzt geht der Talkshow-Chef doch: Nach 18 Jahren Funkarbeit in Hamburg zieht‘s den Mittvierziger elbaufwärts - am 1. Januar 1992 wird Bremke beim Mitteldeutschen Rundfunk (MDR) in Dresden anfangen. Seine Zuständigkeiten: Unterhaltung, Fernsehspiel, Film und Jugendsendungen.
 


Das Angebot kam von MDR-Fernsehchef Henning Röhl, vorher in Lokstedt als Chefredakteur von ARD-aktuell für „Tagesschau“ und Tagesthemen“ verantwortlich. Bremke reizte die Größe der Aufgabe, die "Herausforderung, auf verschiedenen Schienen Unterhaltung zu machen“. 50 Mitarbeiter hat er unter sich, „überwiegend Leute aus MDR-Landessendern, denn wir wollen ein Programm ganz nah am Zuschauer machen." . Drei West-Redakteure sind für den Schliff der Programme zuständig, "die wir von hier aus in die ARD einspielen“. Was Bremke für die Zuschauer in den neuen Ländern konzipiert, beruht auf zwei Erkenntnissen: „Wir wollen Rücksicht nehmen auf liebgewordene Gewohnheiten und ein bißchen Internationalität ins Programm bringen.“ Erhalten bleiben dem Zuschauer etwa das Sandmännchen, das Telelotto am Sonntag, der Unterhaltungsfilm montags um 20 Uhr.

Lifestyle für die Jugend (Ost)

„Was in allererster Linie fehlt“, und darum Einzug ins Programm halten soll, ist Glanz und Glamour der weiten Welt. Da ist eine richtige Begierde zu merken“, weiß Bremke. Talk-Shows, großes und kleines Kabarett, ein Reisemagazin sowie ein Feature mit Klatsch und Tratsch der „Upper Ten“ sind geplant. Die Jugendsendungen des MDR sollen Lifestyle vermitteln: schicke Trends und Szene-Nachrichten“. Der aktuellen Ausländerfeindlichkeit will Bremke "mit einem Programm der Selbstverständlichkeit“ beikommen. Für ihn, den Hanseaten, ist "der Umgang mit dem Anderen eine Selbstverständlichkeit". Der Bereich der Jugendsendungen ist für den erfahrenen Fernsehmann noch neu. Doch „man muß nicht in allen Bereichen zu Hause sein, wenn man wie ich im Redaktionsmanagement tätig ist“, kommentiert Bremke diesen Umstand. Seine Aufgaben sind „das Anregen von Ideen, Kollegen Hilfestellung zu geben und die Nahtstelle zwischen Programm-Machern und der Funkhaus-Hierarchie zu sein“.

Viermal Talk für drei Länder

Wo Bremke ist, da gibt‘s auch Talk­Show - und zwar reichlich: Jeden Freitag soll auf dem MDR-Kanal eine Gesprächsrunde stattfinden. Der „MDR-Club“ wird in Dresden produziert, das „MDR-Rendezvous“ in Halle; zwei weitere Sendungen werden von anderen Sendern übernommen. Zum intimeren „Rendezvous“ wird Moderatorin Beate Wedekind je vier Gäste im Studio versammeln. Eine größere Runde redet im „Club“ über Show, Film, Kunst oder Kultur. Viele Themen aus den drei MDR-Bundesländern (Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen) sollen zur Sprache kommen. „Für die Talkshows steht ein ähnliches Budget zur Verfügung wie beim NDR. Dort haben wir gut und knapp kalkuliert, das müssen wir hier auch“, sagt Bremke zur Finanzsituation des Senders. Schwierig gestaltet sich die Suche nach geeigneten Studios. Das Dresdner Defa-Gelände, demnächst MDR­Sitz, wird zur Zeit umgebaut. Bremke: Im Moment fühle ich mich eher als Bauleiter denn als Redakteur.“ ... Dort sollen zehnminütige Spielsendungen produziert werden, die täglich von 19.50 bis 20.00 Uhr laufen könnten. Große Unterhaltung wird in der Stadthalle und den Studios von Chemnitz inszeniert. „Die Räumlichkeiten sind für internationale Verhältnisse - dürftig, aber für uns schon ganz gut“, sagt Bremke. Die Filmbearbeitung ist in Halle angesiedelt. Diese dezentrale Arbeit findet Bremke „ganz vernünftig, weil wir ja auch für drei Länder zuständig sind“.

                                                BRITTA GANS