10.07.91


Der Talkmaster
mit
dem Stop-T(r)ick

 

Porträt Hamburger Medienmacher: Wolfgang Bremke
Macher der Talkshow des Norddeutschen Rundfunks

 

"In den siebziger Jahren hab ich in Hamburg die schönsten Parties gemacht. und dabei entdeckte ich, daß ich Menschen zusammenbringen kann." Der Mann, der heute als Vize-Chef der Haupt-TV-Abteilung Unterhaltung beim NDR fungiert, hat Volkswirtschaft, Politik und Geschichte studiert, arbeitete im Wirtschaftsressort der Zeit, ehe er 1975 zum Medium Fernsehen überwechselte. Im NDR-Dschungel fällt Wolfgang Bremke alt Zirkusdirektor heraus, der expansiv und unangefochten 18 mal im Jahr die NDR-Talkshow inszeniert.

Bremke, 45 Jahre, Manager des Miteinanderredens auf der matten Scheibe, versteht es, auf Fragen zu antworten, ohne Substantielles mitzuteilen. Seine Talkshow hat mit 16 Prozent die höchste Einschaltquote der NDR-Sendungen. So kann er sich erlauben, Diva und Despot zugleich zu sein. Der mittelgroße Mann mit dem kalkulativen Blick eines Börsenmaklers, dem scharf konturierten Mund, der genau weiß, was er sagen und nicht sagen will, hat sich ein glatten, dickes Fell zugelegt - wie das des NDR Walrosses Antje. "Wolfgang Bremke ist ein Phänomen, wenn es ihn nicht gäbe, müßte man ihn erfinden. Nur jemand wie er kann diese Art von Unterhaltung machen, kann diese Talkshow vertreten", heißt es über ihn. 

Seit in den siebziger Jahren die Welle des .Laßt uns ruhig mal drüber reden" losbrach. hat sich das Sofa-Sit-ln als eine Form der Unterhaltung - übrigens eine der billigsten in der Herstellung - auf dem Bildschirm etabliert. Die N III - Talkshow gilt als die

bevorzugte unter den mittlerweile 30 einschaltbaren Variationen. Ihre Mischung aus Small-Talk, Musikgruppen oder Playback-Darbietungen, Tingeltangel und Prominentenklatsch kommt an bei einem Volk, dessen Geschmack vom Otto-Versand-Katalog geprägt ist.

Was ist Unterhaltung? Alles, was nicht langweilt oder gar anstrengt. Da sind sich Dieter Thomas Heck, Wim Thoelke und Wolfgang Bremke einig. Und was strengt an? Verweilen! Hier ist Wolfgang Bremke seinesgleichen voraus. Der Journalist. dessen unruhiger Blick ein Gegenüber immer auch auf den Unterhaltungswert abschätzt, kennt vor allem ein Reizwort: Monothematisch! Nichts nervt mehr als Dauerdiskussion, als ausufernde Unwägbarkeit bei einer Sendung, die doch wegen ihres Life-Charakters eingeschaltet wird.

Bremke hat ein Gespür dafür, was die Zuschauer wollen: Ein bißchen Politiker, ein bißchen Schauspielerin, eine angeknackste Sportlerseele im On, ein heruntergelassenes Dekolleté im Off, garniert mit etwas Nebelwallen und ein paar Spritzern Second-Hand-Sound. Geht es irgendwann doch einmal zur Sache, heißt die Devise: "Brich ab, wenn es am schönsten ist! Damit auch Sie mitreden können!" Da ist der Bremke Anchorman, der den Kameras nervös sein "Stop und Go" diktiert, der die Vor-Ort-Zuschauer drangsaliert, der, reißt dann immer noch kein Strick, selber die Leinen kappt...

Christine Böer