Vorsicht mit Horst-Wolfgang Bremke: Wer es lau liebt,
sollte dem Mann nicht zu nahe kommen. Denn Bremke brennt. Im Gespräch
oder auch in seiner Talkshow "Berlin - Gesichter einer Weltstadt"
(samstags, 19.30 Uhr) wirkt er besonnen,
interessiert, sachkundig. Seine Neugier hält er im Zaum. Bei ihm gibt es
keine Indiskretionen, kein Bohren in offenen Wunden, keine Ohrfeigen für
den Eingeladenen. Ob Zauberkünstler oder Udo Jürgens, ob Rockröhre,
Galeristin oder Unternehmer - der Gastgeber inszeniert nicht sich selbst,
sondern gibt den Gästen die Ehre. Am 6. September talkt er zum 100. Mal,
und während der IFA (30.8. bis 6.9.) steht der TV-Profi täglich live am
Kurfürstendamm/Ecke Lehniner Platz mit seiner Show vor der Kamera. Bremke
lebt für das Fernsehen, für richtig gutes, unterhaltsames,
interessantes, menschenfreundliches Programm. Als er 1995, sozusagen als
Feuerwehrmann, FAB-Fernsehen aus Berlin übernahm, stand der Sender -
"ein Schrotthaufen" - kurz vor dem Konkurs. Langsam, aber stetig
entwickelt sich FAB nun zum Spiegelbild der deutschen Metropole im Herzen
Europas und trägt ganz allmählich auch Bremkes Handschrift als
Programmdirektor. ... Für
seine eigene Sendung "Berlin - Gesichter einer Weltstadt" ist
Bremke Locationscout (z.B. Einkaufscenter, Hotels, Restaurants in und um Berlin,
sogar
ein Zeppelin), Kostümbildner, Requisiteur und natürlich Redakteur,
Aufnahmeleiter und Moderator in einem. In seiner Freizeit sucht er die
Gesprächspartner, die für ihn "der Humusboden sind, aus dem
interessante kulturelle Showpflänzchen wachsen können, die später eine
Weltstadt ausmachen."
"Eine umworbene Braut"
geschaffen
Ein Berliner Rundfunksender lobte kürzlich, Bremke
habe "aus dem Aschenputtel FAB eine umworbene Braut" gemacht.
Tatsächlich interessieren sich unter anderen Thomas Kirch und eine
Hamburger Investorengruppe um Frank Otto sowie Investoren aus England und
Kanada für den Sender. ... Bremke ist jedenfalls vorbereitet: "Ich habe im Verlauf
des letzten Jahres ein 24stündiges Vollprogramm aufgebaut, in dem ‚man
stündlich oder halbstündlich Nachrichten unterbringen kann"...
Und Bremke hat vielfach mit Erfolg bewiesen, daß er
immer da anfängt, wo andere aufhören wollen. Der gebürtige Hamburger,
Diplom-Volkswirt, Diplom-Politologe und Historiker, kam nach vier Jahren
als Wirtschaftsredakteur der "Zeit" 1975 zur ARD. Dort war
Bremke beim NDR Mitbegründer und Moderator des Wochenmagazins "extra
drei" und des Wirtschaftsmagazins "Plusminus",
Mitbegründer der "Tagesthemen", Erfinder der "NDR Ta]k
Show" - alles Sendungen, die bis heute zu den Quotenhits des
deutschen Fernsehens gehören ...
1991 wechselte Bremke zum neu gegründeten MDR, wo er in Dresden fast aus
dem Nichts heraus einen kompletten Programmbereich (Unterhaltung,
Fernsehspiel, Jugend. Dokumentation) aufbaute und drei Jahre als
Programmchef arbeitete. Klug hielt er beliebte Publikumssendungen der DDR
wie "Glück muß man haben" und "Achims Hitparade" im
Programm, startete 17 Neuproduktionen pro Woche, darunter preisgekrönte
Fernsehspiele wie "Das gläserne Haus", "Tatort"-Highlights
wie "Die Narbe des Himmels", die Tiersendung "Abenteuer
Zoo", Mode- und Reisemagazine, Servicesendungen, Satire- und
Kleinkunstprogramme. Selbst "Reality-TV" gab es zuerst in
Dresden: "Kripo live" arbeitete mit echten Polizei-Bildern. Und
die von Bremke gestartete "Riverboat"-Talkshow ist bis heute die
erfolgreichste Produktion des MDR. Manche haben Bremke schon für seine
überbordende Energie, sein ständiges Fordern, seine Ungeduld und sein
Tempo zur Hölle gewünscht. Und in der Tat endete seine Zeit beim MDR mit
einem handfesten Krach. Er wäre nicht Bremke, wenn ihn die
unverwirklichten Pläne nicht heute noch schmerzen würden. Trotzdem
stellt er positive Erinnerungen in den Vordergrund: "Ich habe beim
NDR und beim MDR eine Menge gelernt. Und ich bin wohl einer der wenigen in
Deutschland, die diese Bandbreite entfalten konnten." Seine
Erfahrungen und Kenntnisse als Mann des Aufbaus und als
"Feuerwehrmann" prädestinieren ihn geradezu als Sender-Sanierer
mit individuellen Lösungsangeboten. Daß sein Ideen-Feuerwerk irgendwann
einmal erlöschen könnte, ist kaum anzunehmen.
tvs 34/37
Susanne Lost (defd-tvs)
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